Die Deutung des Ortsnamens
Interessant ist die Herkunft des Namens Angenrod. Vor geraumer Zeit durchgeführte quellengeschichtliche Recherchen von Prof. Dr. Ingfried Stahl in den Staatsarchiven Darmstadt und Marburg sowie der Landesbibliothek in Kassel haben den Nachweis erbracht, dass die früheste Ortsbezeichnung „Ingerode“ lautete. Diese lässt sich bis vor das Jahr 1300 zurückverfolgen. Nach L. Reichhardt wurde der Ortsname „Angenrod“ aus dem Rufnahmen „Ingo“ zum Stamm „ingwa“ gebildet. Somit ordnet sich die Namensgebung in die Reihe der in überwiegender Zahl mit vorangestellten Personennamen gebildeten Ortsnamen mit der Endung „rod“ oder „rode“ ein. In der ältesten urkundlichen Stelle (1272) taucht erstmals der angenrodspezifische lateinische Passus „sita in Ingerode“ auf. In einer vermutlich aus dem Jahre 1369 stammenden Urkunde ist der spezielle Abschnitt „…zu Getorn vnd waz wir Gude vnd Gulde han in demse selbin Gerichte, by Namen tzu Ingerode…“ enthalten. 1519 lesen wir dagegen in Akten, die sich im Staatsarchiv Marburg befinden, von „Cunrad Nodung zu Engerode“. In einer Urkunde aus dem Jahre 1522 des Klosters Immichenhain ist von „Angerode“ die Rede, Akten aus dem Politischen Archiv des Staatsarchives Marburg enthalten dann folgende Ortsbezeichnungen: „Angerrodt“ (1560), „Angenrodt“ (1561) sowie „Engerodt“ (1563). Zusammenfassend lässt sich zur Etymologie des Ortsnamens sagen, dass die älteste Bezeichnung „Ingerode“ sich durch die Kürzung der Flexionsendung in unbetonter Mittelstellung erklärt, die Schreibungen „Engerode“ und „Angerode“ (Anfang des 16. Jahrhunderts) sind zu deuten durch die mundartliche Entwicklung des mittelhochdeutschen „i“ in einem Teil Oberhessens, während die Form „Angerrodt“ (1560) sekundär an „Anger“ (Grasland) angelehnt ist. Die Wasserburg – Keimzelle des Ortes
Die erste Anlage als Ausgangspunkt des Dorfes war eine Wasserburg im Tal der Antrift. Eine gute Beschreibung dieser historischen Anlage gab seinerzeit Dr. Friedrich Wilhelm Kraus (Ruhlkirchen): Als so genanntes „festes Haus“ wurde die Wasserburg von der oberhalb des heutigen Hofgutes gestauten Antrift in großem Bogen umflossen. Während das Hauptbett der Antrift früher etwa den gleichen Verlauf hat wie heute, hatte man unterhalb der oberen Mühle ebenfalls einen künstlichen Graben geschaffen, der die Burg- und Hofanlage von Westen umfloss. Von dieser mittelalterlichen wasserumflossenen Wehrburg und ihren Anlagen lassen sich auch heute noch Teile erkennen. An der zur Verteidigung schwächsten Stelle, am Abhang zum heutigen Dorfgemeinschaftshaus hin, wurden außerhalb der Schutzwälle noch zusätzliche wehrhafte Vormauern errichtet. Der heute noch vorhandene Fischteich ist als Rest eines weitverzweigten Grabensystems der ehemaligen kleinen Wasserburg zu denken. Als älteste Höfe außerhalb der Wasserburg können die herrschaftlichen Mühlen aufgeführt werden (von Nodingsche Müller), die seinerzeit gute wirtschaftliche Unternehmen darstellten. Noch im Jahre 1645 spricht man vom Burghaus zu Angenrod, dessen damaliger Inhaber Georg Rudolf von Wehrda, genannt Nöding, war. Das Burghaus sowie die Kollaturen (Kirchenrechte) zu Zell und Billertshausen wurden nämlich am 5. Juli 1645 interessanterweise an den Amtmann von Romrod, Obristleutnant Urias Martin, verkauft. In den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts kaufte dann Johann Georg von Wehrda das Gut und die Kollatur seiner Vorfahren als Rechtsnachfolger der Martinschen Erben wieder zurück. Die Linie von Wehrda hatte bereits 1450 die Wüstung zu „Ingerode“ von Landgraf Ludwig I. zu Marburg zum Lehen erhalten. Dem nachfolgenden Gut zu Ingerode, einer ursprünglichen Wehrhofanlage, folgten schließlich allmählich die Bauernhöfe der Hintersassen, die dann das eigentliche Dorf Angenrod formten. Angenrod (Ingerode) lag also in der Zeit vor 1450 interessanterweise geraume Zeit lang unbewohnt (wüst) vor. Das intermediäre Wüstwerden ist übrigens auch von anderen Siedlungen unserer Heimat überliefert. Urkundliche Ersterwähnung: 26. April 1272
Das die Geschichte Angenrods in hervorragendem Maße dominierende Hofgut mit seinen Rechten sowie das Gericht Gedern, heute Getürms genannt, gehörten dem damals mächtigen und wohlhabenden Herrn von Romrod. In einer stark vermoderten Pergamenturkunde vom 26. April 1272, die im damaligen Ailesuelt (Alsfeld) angefertigt wurde, findet sich der erste schriftliche Hinweis auf Ingerode (später Angenrod). Die adelige Weiterentwicklung Angenrods
Während bis zum Jahr 1450 die Gutsherrschaft in Angenrod mehrfach wechselte, entfaltete sich entsprechend der Lehenurkunde vom 26.08.1450 durch die Familie Wehrda genannt Nodung die ersten „Angenröder Adligen“ mit dem „Kirchsatz zu Gedörne und Zelle“. In 1450 folgten dann Gerichts- und Patronatsrechte sowie sonstige Rechte für Angenrod. Sehr interessant ist, dass die Familie v. Nodung, aus dem Dorf Wehrda bei Marburg stammend, bereits im 14. Jahrhundert sonstige Rechte in Ohmes hatte, des weiteren in Reprode (Wüstung vermutlich im heutigen Bereich des Antrift-Stausees), Vockenrod, Heimertshausen sowie Zell.
Mit dem Übergang der Gerichtshoheit auf die v. Wehrda hat Angenrod seit jener Zeit im Gerichtswesen eine Sonderentwicklung genommen. Es bildete bis ins 19. Jahrhundert ein selbständiges Gericht, das als solches nur dem Oberamt Alsfeld untergeordnet war. Zur Ausübung ihrer Niedergerichtsbarkeit hatten die Herren von Wehrda gen. Nodung einen eigenen Gerichtshalter. Die Familie derer von Wehrda hat somit für fast 400 Jahre die Geschichte und Geschicke Angenrods bestimmt. Das Wappen der v. Nodung zeigt einen schwarzen Wechselzinnenbalken im weißen Schilde; es ist heute noch, wenngleich als verwittertes Buntsandsteinrelikt, über dem Seiteneingang des zu einer Wohnanlage umgebauten Hofgutherrenhauses zu sehen und dient als Vorlage für das „nichtoffizielle Dorfwappen“ von Angenrod. Auch die Kirchenrechte gehören bis zu ihrem Aussterben den v. Nodungs, deren Herrschaft bzw. Patronat in „Angerod“ mit dem Tod des „blödsinnigen Karl Reinhard von Wehrda genannt Noding“ am 15.10.1805 erlosch. Das Hofgut mit seinen Rechten fiel somit an den Landgrafen zurück.
Die Kirche auf dem Getürms
Auf einem kleinen Basalthügel (313 m ü. NN) zwischen den Stadtteilen Angenrod und Billertshausen liegt deren gemeinsame Kirche „Getürms“. Der Name dieses Hügels, der 1339 mit Geduren, 1499 mit Gedorne, 1572 mit Gedörne überliefert und mit dem mittelhochdeutschen Wort „dorn“ = Dornbusch zu erklären ist, wurde durch den jungen Geistlichen Johann Sigismund Antonius Möller in Gethürms umgedeutet.
Zum Kirchspiel dieser Bergkirche gehören auch die Dörfer Heimertshausen und Zell. Trotz aller akministrativer und kirchlicher Reformen hat sich dieses Kirchspiel aus dem Mittelalter bis heute so erhalten und kann somit auf eine reiche und lange Geschichte zurückblicken.
Die Gründung einer Kirche auf dem Getürms ist alter Besitz des Klosters Fulda und vermutlich auf die Missionierung durch Bonifatius zurückzuführen und dürfte ein wichtiger Mittelpunkt der Missionierungsarbeit auf der Strecke zwischen Amöneburg und Fulda gewesen sein.
Bereits 1527 wurde das Kirchspiel Getürms lutherisch.
Die Volksschule in Angenrod
Ende des 19. Jahrhunderts erbauten die Dörfer Angenrod und Billertshausen je ein eigenes Schulhaus. Die Angenröder Schule wurde 1880 fertiggestellt. Bereits um 1900 wurde das ursprüngliche Satteldach durch ein Zelt- bzw. Turmdach mit aufgesetztem Uhrtürmchen ersetzt. Seine beiden Zifferblätter geben nach mehrjähriger Unterbrechung zusammen mit einer noch immer in Betrieb befindlichen Glocke mittels eines inzwischen funkferngesteuerten Uhrwerkes die „Angenröder Zeit“ an. Die Angenröder Schule war zweiklassig und war eine nicht zu unterschätzende Institution zum Erlernen des Rüstzeuges für das Leben in Gesellschaft und Beruf auf dem Lande und schuf ein hohes Maß an verbindlichen Werten und Normen. Mit der Einführung von Mittelpunktschulen wurden die Dorfschulen zusehends – so auch in Angenrod 1971 – aufgelöst. Seit dieser Zeit besuchen die Angenröder Grundschul- und Förderstufenkinder über einen Bustransfer die Mittelpunktschule in Romrod. Während in der Zeit vor dem II. Weltkrieg der Lehrer Pfeiffer nachhaltig Spuren hinterließ, sind aus der Nachkriegszeit die Lehrer Willy Jaudt, Otto Reul, Helmut Grams und Reinhold Lang zu nennen. Die jüdische Gemeinde zu Angenrod
Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts wird von einzelnen jüdischen Gemeindemitgliedern aus Angenrod berichtet. Ende des 17. Jahrhunderts hatte der Fürstabt von Fulda alle Juden aus seinem Herrschaftsbereich ausgewiesen. Auf Grund des Schutzes, den das starke Adelsgeschlecht derer von Nodung den Juden gewährte, wird wohl Angenrod ein ausgesuchtes Ziel jüdischer Flüchtlinge gewesen sein. Auf dem Gutsgelände hatte v. Nodung 1736 zwölf kleine Häuser für die neuen Juden bauen lassen, 1797 entstand eine prächtige Synagoge und danach sogar eine eigene Schule. Gleichzeitig tauchte auch erstmals die Benennung „Neu-Jerusalem“ bei den jüdischen Bürgern für den Ortsnamen Angenrod auf. So stieg „Neu-Jerusalem“ (Angenrod) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit 179 Seelen zur zahlenmäßig stärksten jüdischen Gemeinde im Altkreis Alsfeld auf. Der Warenhandel lag in und um Angenrod fast ausschließlich in ihren Händen, nebenbei wurde auch ein wenig Landwirtschaft betrieben. Auch im Bereich des Geldhandels liefen von Angenrod und Alsfeld bereits Verbindungen nach Nordamerika und anderen europäischen Ländern. Der prozentuale Anteil der Häuser lag bei 37 Prozent und von den fünf (!) damaligen Schankwirtschaften besaßen die Juden allein drei. Nach der Machtübernahme durch die Nazis kam das grausige „AUS“ für die letzten 12 noch nicht weggezogenen bzw. ausgewanderten Juden in Angenrod, die 1942 mittels eines Lastwagens in Höhe der Leuseler Straße 3 abgeholt und vermutlich über das KZ Theresienstadt nach Auschwitz deportiert wurden. Nachdem die leerstehende Synagoge im Jahre 1961 abgerissen wurde, erinnert nur noch der große und noch immer gut gepflegte Judenfriedhof an das Vorhandensein einer großen jüdischen Gemeinde in Angenrod. Die Entwicklung Angenrods nach 1945
Der Sozialdemokrat Wilhelm (Willi) Müller wurde unmittelbar nach dem Ende des II. Weltkrieges von der alliierten Besatzungsmacht USA kommissarisch beauftragt, die kommunale Verwaltung der Gemeinde Angenrod nach demokratischen Gesichtspunkten neu aufzubauen. Müller übernahm damit eine schwierige Aufgabe, da die Infrastruktur während des Krieges gelitten hatte und der Zustrom der Heimatvertriebenen neue, bis dahin unbekannte Probleme schuf. Die Einwohnerzahl stieg binnen kürzester Zeit bei gleichbleibendem Wohnraum von knapp 600 auf bis zu 833 an. Alle Bürger mussten zusammenrücken, die Ärmel hochkrempeln und auf allen Ebenen neu anfangen. So wurden in kommunaler Eigenregie zunächst drei Gemeinde-Wohnhäuser gebaut, um die überaus große Wohnraumnot etwas zu lindern. Danach wurde neben der Ortskanalisierung und dem generellen Orts-straßenbau auch die Straßenbeleuchtung erneuert. Auch die ca. 1 km lange Ortsdurchfahrt der B 62 wurde einschließlich Verbreiterung der Antrift-Brücke in den sechziger Jahren modernisiert. Ebenso konnte das Antrift-Bachbett reguliert und zum Schutz gegen Hochwasser mit beidseitigen Ufermauern befestigt werden. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der „Arbeitergemeinde“ Angenrod war natürlich begrenzt, so dass vorgenannte Maßnahmen nur durch massive Schlüsselzuweisungen von Kreis, Land und Bund verwirklicht werden konnten. Im Zuge der kommunalen Gebietsreform stimmte der Gemeinderat Angenrod im Grenzänderungs- und Auseinandersetzungsvertrag dem Anschluss an Alsfeld zum 1.1.1972 unter Bedingungen zu. Unter der Führung des bisherigen Bürgermeisters und neugewählten Ortsvorstehers konnten in Angenrod angesichts der verbesserten Finanzlage in den siebziger Jahren weitere wichtige Vorhaben realisiert werden: Umbau des seit 1971 leerstehenden Schulhauses in ein (zu klein geratenes) Dorfgemeinschaftshaus, Bau eines Gruppenkindergartens und modernen Feuerwehrhauses sowie das in Eigenleistung errichtete moderne Sportheim am Angenröder Sportplatz.
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